Keine Klimapolitik ohne Jugendliche: Wie wir junge Menschen konsequent beteiligen können.
Klimapolitik ist für Jugendliche besonders relevant. Für die Klimakrise verantwortlich sind sie nicht, doch von ihren Auswirkungen sind sie am stärksten betroffen. Leider sind die politischen Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche oft begrenzt – nicht zuletzt, weil sie noch kein Wahlrecht haben. Die Frustration über wenig vorausschauende politische Entscheidungen ist deshalb besonders groß. Aktivismus und informelle Beteiligungen gehören zu den wenigen Optionen, diesen Sorgen Ausdruck zu verleihen und politischen Einfluss zu nehmen.
Umso wichtiger ist es deshalb, dass Entscheidungsträger*innen Jugendliche aktiv in politische Prozesse einbeziehen.
Damit Jugendbeteiligung mehr wird als eine gute Absicht, müssen wir uns unterschiedlichen Fragen stellen: Wie erreichen wir Jugendliche, die sich nicht schon klimapolitisch engagieren? Wie sieht eine angemessene Ansprache aus? Wie überzeugen wir junge Menschen davon, dass ihre Teilnahme an der Beteiligung sich in der Ausgestaltung politischer Entscheidungen niederschlägt, dass ihre Stimme Gewicht hat?
Im Kontext der diesjährigen Jugendpolitiktage wurde die Frage aufgeworfen, warum Jugendliche innerhalb einer Beteiligung „dazu angehalten sind, genau das in Sachen Klimaschutz zu erarbeiten, was sowieso schon die Mehrheit weiß“.[1] Die Frage ist berechtigt und sollte sowohl von Entscheidungsträger*innen, als auch von uns als Beteiligungsmacher*innen im Vorfeld einer Beteiligung geklärt und adressiert werden.
In einer vom Umwelt Bundesamt (UBA) beauftragten Studie [2] wurde untersucht, was eine erfolgreiche Jugendbeteiligung ausmacht:
- Entscheidungsspielraum, in dem Jugendliche die Beteiligung eigenständig gestalten können und ausreichende Ressourcen, von Räumen bis zur Betreuung,
- die Teilnahme an der Beteiligung sollte einen erlebbaren Einfluss auf politische Prozesse haben,
- Anerkennung und Wertschätzung,
- vielfältige Methoden und Zugänge,
- Austausch mit Gleichaltrigen,
- zeitliche Begrenzung der Beteiligung und
- Kommunikation auf Augenhöhe.
Das UBA unterscheidet zwischen jugendlichen Kooperativen, die Interesse an einer institutionalisierten Mitarbeit an politischen Prozessen haben und jugendlichen Aktivist*innen, die Angebote von und für Jugendliche schaffen möchten und so die öffentliche Meinung beeinflussen. Erstere bräuchten in der Beteiligung mehr Betreuung, zweitere größere Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume.
Grundsätzlich plädiert das UBA dafür, Zielgruppen unter Jugendlichen klar abzugrenzen, um Frustration durch unterschiedliche Vorkenntnisse vorzubeugen. Es ist außerdem wichtig, die unterschiedlichen Zielgruppen auf den von ihnen genutzten Social-Media-Kanälen direkt anzusprechen und vielfältige Angebote mit unterschiedlichen Zugangshürden zu schaffen, um sowohl ehrgeizige Jugendliche anzusprechen, die durch aufwändige Bewerbungsprozesse motiviert werden, als auch solche, die sich bisher noch nicht mit Klimathemen auseinandergesetzt haben und für die ein möglichst niedrigschwelliger Einstieg wichtig ist.
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Beispiel aus der Praxis: Jugendworkshop zum Thema Klimaanpassung
Wir gestalten aktuell eine Öffentlichkeitsbeteiligung zum Thema Klimaanpassung. Ein ebenso komplexes, wie wichtiges Thema. Teil dessen ist auch eine Jugendbeteiligung. Um dem Anspruch gerecht zu werden, jungen Menschen bereits in der Konzeption der Beteiligung Gestaltungsspielraum zu geben, haben wir im Mai einen Anforderungsworkshop durchgeführt, zu dem sowohl Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher (Jugend)-organisationen, als auch nicht in Vereinen organisierte Jugendliche eingeladen waren. Ziel war es, den Beteiligungsgegenstand einzugrenzen, Feedback zur Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit um die Beteiligung herum einzuholen und uns mit Jugendlichen zu vernetzen, die gegebenenfalls ihre Netzwerke zur Teilnahme an der Beteiligung motivieren können.
Im Workshop haben Jugendliche die Bedrohung durch die Klimakrise betont und ihren Unmut darüber ausgedrückt, dass die Forderungen junger Menschen von der Politik nicht ernstgenommen werden.
Innerhalb der Beteiligung sei es wichtig, das Beteiligungsthema möglichst verständlich darzustellen und die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen. Viele junge Menschen hätten große Angst vor der Zukunft – gerade deshalb sei es wichtig, dort anzusetzen und herauszufinden, welche Sorgen Jugendliche mit dem Klimawandel verbinden und wie diesen Sorgen politisch begegnet werden könne. Die Beteiligungsgegenstände sowie die Öffentlichkeitsarbeit zur Beteiligung sollen einen starken Bezug zur Lebenswelt und zum Alltag der Jugendlichen haben, um die Beteiligungsbarrieren möglichst gering zu halten.
Wichtig sei auch, eine besonders barrierefreie und diskriminierungssensible Beteiligung zu gestalten. Neben der Zugänglichkeit über Leichte Sprache, Begriffserklärungen und Gebärdenvideos wurde betont, dass besonders marginalisierte Jugendliche über Schulworkshops erreicht werden können. Es sei außerdem wichtig, dass auch marginalisierte Jugendliche sich selbst in der Bildsprache der Beteiligungsplattform und der dazugehörigen Kanäle wiederfinden.
Die Jugendlichen wiesen darüber hinaus auf die vielfältigen Möglichkeiten von Sozialen Medien als Aktivierungsinstrumente hin: Von Quizzen und Umfragen, über Kooperationen mit Influencer*innen, bis zur interaktiven Teilnahme als Gruppe.
Besonders eindrücklich war der Hinweis einer teilnehmenden Person: „Traut euch ehrlich zu sein! Junge Menschen schätzen Authentizität mehr als ein poliertes Image!“.
Quellen
[1] Eiles, F. (2023, Mai 12). Lisa Paus im Interview über Jugendbeteiligung, Klimaschutz und Kindergrundsicherung. politikorange. https://politikorange.de/2023/05/lisa-paus-im-interview-ueber-jugendbeteiligung-klimaschutz-und-kindergrundsicherung/
[2] Diels, J., Münsch, M., Thorun, C., & ConPolicy - Institut für Verbraucherpolitik. (2022). Jugend und Konsum II: Beteiligungsformate für nachhaltigen Konsum. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_79-2022_jugend_und_konsum_ii.pdf