Warum Partizipation Klimapolitik besser macht
Öffentlichkeitsbeteiligung zu klimapolitischen Themen ist in aller Munde. Ob es um neue Mobilitäts-, und kommunale Klimaschutzkonzepte geht, Maßnahmen zum Schutz der Gewässer oder Aktionspläne auf Bundesebene: Bürger*innen und Expert*innen mit ihrem Fachwissen und ihrer gelebten Erfahrung einzubeziehen ist wichtiger denn je.
Doch warum ist das so?
1. Bürger*innen bringen wertvolles Wissen ein
Politiker*innen und fachliche Expert*innen sind nicht unbedingt Expert*innen für die Regionen, in denen Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Der Einbezug von Bürger*innen erweitert das Blickfeld und bringt weitere Perspektiven ein. Manchmal auch ganz pragmatisch, zum Beispiel über die Spende von Radfahrdaten und Mängelmeldungen, die Aufschluss über Verkehrsauslastungen und Verbesserungsmöglichkeiten geben können.1
2. Klimaschutz ist auf die breite Zustimmung der Bevölkerung angewiesen
Laut Wissenschaftsplattform Klimaschutz sind „schon jetzt […] viele Projekte der Energiewende ins Stocken geraten, weil es vor Ort starke Widerstände gibt.“2 Deshalb ist es umso wichtiger, dass bei Bürger*innen eine positive Einstellung gegenüber Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen gefördert wird. Für die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen sei es jedoch ausreichend, dass sie zumindest toleriert werden.
Die Voraussetzung dafür sei, dass sich Bürger*innen der Notwendigkeit der Maßnahmen bewusst seien, dass sie Selbstwirksamkeits-Erfahrungen machen, dass sie den Maßnahmen eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz zuschreiben und dass sie sich mit ihnen identifizieren.
3. Klimaschutz betrifft uns alle: Maßnahmen werden durch kollektives Aushandeln legitimiert
Bei Maßnahmen, die erhebliche persönliche Einschränkungen mit sich bringen, sei es schwierig, diese Akzeptanz zu erreichen. Deshalb brauche es Partizipationsprozesse, bei denen Bürger*innen die Erfahrung machen können, ihre Lebenswelt aktiv mitzugestalten. Das verschaffe den Klimaschutzmaßnahmen Legitimität.1
Jedoch werden auch Maßnahmen, die eine breite gesellschaftliche Zustimmung erfahren ggf. von lokalen Protesten begleitet. Das kann passieren, wenn eine Region besonders von einer Maßnahme betroffen ist (z.B. im Fall von Windrädern), wenn der Informationsstand über den Klimawandel nicht besonders hoch ist, oder wenn es in der Region wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt.3
Gut gemachte Beteiligungsprozesse, innerhalb derer Bürger*innen bewerten können, inwiefern sie ihren Akzeptanzkriterien entsprechen und Empfehlungen an repräsentative Gremien und Entscheidungsträger*innen aussprechen können hier entgegenwirken. Laut Wissenschaftsplattform Klimaschutz sei kompetente Planung und eine professionelle Umsetzung dieser Beteiligungsverfahren unerlässlich.2
4. Öffentlichkeitsbeteiligung wirkt Polarisierung entgegen
In einer Studie des Ariadne-Projektes3 wurden die geographischen und zeitliche Unterschiede in der Zustimmung zu Klimaschutzpolitik in Deutschland untersucht. Dabei wurde festgestellt: Verändert sich die Einstellung von Einwohner*innen eines Landkreises zu Klimaschutzmaßnahmen zum positiven oder negativen, sind diese Veränderungen in den Folgejahren auch in den benachbarten Landkreisen feststellbar. Durch Freundschaften und familiäre Verbindungen beeinflussen sich Bürger*innen gegenseitig: Es gibt einen räumlichen Diffusionseffekt.
Die Studie sieht hier ein Potenzial für Öffentlichkeitsbeteiligungen. Durch den deliberativen Prozess der Beteiligungen wird Verständnis füreinander und für die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen geschaffen. Besonders in stark vernetzten Regionen sorge der Diffusionseffekt dafür, dass Beteiligungen eine starke Auswirkung auf die öffentliche Meinung zu Klimaschutz haben.
5. Die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen dürfen marginalisierte Gruppen nicht stärker treffen
Um eine breite Zustimmung zu sichern, muss die Politik Verteilungsgerechtigkeit im Blick behalten: Das bedeutet, dass die Auswirkungen der Klimakrise und die Verantwortung und Belastungen durch Klimaschutzmaßnahmen weniger privilegierte Menschen nicht stärker treffen dürfen. Das kann durch Analysen sichergestellt werden, aber auch innerhalb von divers aufgestellten Bürger*innen-Räten, die mit Expert*innen zusammenarbeiten fallen Ungerechtigkeiten gegebenenfalls mehr auf, als in eher homogenen Verwaltungen.4
Unsere Klima-Beteiligungen
Als Expert*innen für Partizipation haben wir bereits zahlreiche Klima-Beteiligungen begleitet, zum Beispiel in Buchholz, Erfurt, Flensburg, im Nationalpark Schwarzwald oder im Rhein-Neckar-Kreis. Das Spektrum reicht von breit angelegten Dialogen auf Bundesebene, wie jenem für das BMUV, in dem die deutsche Klimaanpassungsstrategie weiterentwickelt werden soll, bis zu integrierten Prozessen auf kommunaler Ebene, wie in Flensburg, wo wir an einer nachhaltigen Stadtentwicklungsstrategie gearbeitet haben, die sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientiert. Außerdem unterstützen wir die Landeshauptstädte München und Erfurt mit unserer Beteiligungsexpertise bei der Entwicklung städtischer Klimaschutzkonzepte oder aber Organisationen, wie die Landeskirchen Baden-Württemberg, auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Mehr Infos dazu gibt es hier.
Fußnoten
1 Renn, O. (2020). PARTIZIPATIVE KLIMAPOLITIK. Erfahrungen, Grenzen und Aussichten deliberativer Bürgerbeteiligung zur Steuerung systemischer Risiken (Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Hrsg.). https://www.b-b-e.de/fileadmin/Redaktion/06_Service/02_Publikationen/2020/2020-bbe-reihe-arbeitspapiere-011.pdf
2 Wissenschaftsplattform Klimaschutz. (2023). Lücken in der deutschen Klimapolitik. Herausforderungen für eine wirksame Langfriststrategie. Stellungnahme der Wissenschaftsplattform Klimaschutz. https://www.wissenschaftsplattform-klimaschutz.de/files/WPKS_Stellungnahme-Luecken-23.pdf
3 Levi, S., Wolf, I., & Sommer, S. (2023). Geographische und zeitliche Unterschiede in der Zustimmung zu Klimaschutzpolitik in Deutschland Report. Potsdam Institute for Climate Impact Research.
4 Ein Bürgerrat für’s Klima. (o. J.). Buergerrat.de. Abgerufen 29. Juni 2023, von https://www.buergerrat.de/aktuelles/ein-buergerrat-fuers-klima/